Juristisch wird Selbstverteidigung in Zusammenhang mit Notwehr, Nothilfe (Rechtfertigender Notstand) und Selbsthilfe verwendet.
Notwehr (Selbstverteidigung) bezeichnet die strafrechtliche und zivilrechtliche Unbedenklichkeit von schädigenden Handlungen, wenn sie zur Abwehr eines Angriffs erfolgen und gegen den Angreifer gerichtet sind (richten sie sich gegen Dritte handelt es sich allenfalls um Handlungen im Notstand).
Kennzeichnend für die Notwehr sind eine Notwehrlage und eine Notwehrhandlung.
Die Notwehrlage ist durch das Vorliegen eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs gekennzeichnet.
Ein Angriff ist gegenwärtig, sobald diese Bedrohung unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch andauert (Maßstab für das "unmittelbare Bevorstehen" ist hier die Wertung des § 22 StGB;
Begriffsbestimmung: Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt). Der Angriff muss rechtswidrig sein.
Mit Notwehrhandlung bezeichnet man die Handlung, die der Verteidiger zur Abwehr des Angriffs vornimmt. Notwehr berechtigt nur zur erforderlichen Verteidigung (Verhältnismäßigkeit). Erforderlich ist eine Verteidigung dann, wenn sie geeignet ist, den Angriff sicher und endgültig zu beenden. Obwohl der Verteidiger angehalten ist, in seiner Verteidigung das relativ mildeste Mittel zu wählen, muss er sich nicht auf Risiken bei der Verteidigung einlassen. Ebensowenig kommt eine "schimpfliche Flucht" in Betracht, da das Recht dem Unrecht nicht weichen muss.
Das Recht auf Selbstverteidigung im Strafgesetzbuch (StGB):
StGB — Notwehr und Notstand (§§ 32 - 35)
§ 32 — Notwehr
- Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
- Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
§ 33 — Überschreitung der Notwehr
Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.
§ 34 — Rechtfertigender Notstand
- Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
§ 35 — Entschuldigender Notstand
- Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen; jedoch kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden, wenn der Täter nicht mit Rücksicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis die Gefahr hinzunehmen hatte.
- Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden, so wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Die Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
Ähnlich bis wortgleich ist es auch im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nachzulesen:
BGB — Selbstverteidigung, Selbsthilfe (§§ 227-229)
§ 227 — Notwehr
- Eine durch Notwehr gebotene Handlung ist nicht widerrechtlich.
- Notwehr ist diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
§ 228 — Notstand
- Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Hat der Handelnde die Gefahr verschuldet, so ist er zum Schadensersatz verpflichtet.
§ 229 Selbsthilfe
- Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den Widerstand des Verpflichteten gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde.
Nothilfe:
Als Nothilfe bezeichnet man (im Sinne der Selbstverteidigung/Notwehr) die zu Gunsten eines Dritten ausgeübte Notwehr, also die fremdnützige Abwehr eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs auf ein dem Dritten zuzurechnendes Rechtsgut.
Die Nothilfe steht der Notwehr rechtlich gleich, so dass eine in Nothilfe vorgenommene Handlung weder strafrechtlich noch zivilrechtlich rechtswidrig ist.
Nebenbei: Den rechtlichen Ratschlägen in den einschlägigen SV-Büchern sollte man zumindest skeptisch gegenüberstehen. Abgesehen von der zweifelhaften Praktizierbarkeit des dort Angebotenen sind sie in ihren juristischen Ratschlägen oft sehr fragwürdig. Im Zweifelsfalle immer einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen!