Gewaltdelikte an Frauen sind in den vergangenen Jahren zunehmend in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Gefordert wird vor allem ihre Verhinderung durch präventive Maßnahmen.
Einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung von Gewalt an Frauen leisten Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse. Da es bei ihnen keineswegs nur um die physische, sondern auch um die psychische Wehrbereitschaft und Wehrhaftigkeit geht, sind neben praktischen Übungen vor allem auch umfangreiche Hintergrundinformationen notwendig, um das Sicherheitsgefühl, die Widerstandswillen und notfalls auch die Kampfbereitschaft der Kursteilnehmerinnen zu stärken.
Dr. Wiebke Steffen
Leiterin des Dezernates "Forschung, Statistik, Prävention"
im Bayerischen Landeskriminalamt
Frauenspezifische Gefährdungssituationen
Viele Mädchen und Frauen fürchten sich vor allem davor, von einem unbekannten Gewalttäter überfallen, vergewaltigt und/oder verletzt zu werden. Angriffe dieser Art sind jedoch relativ selten, insbesondere im Vergleich zu den Gewaltvergehen, die sich im sozialen Nahraum, in der Beziehung und in der Familie ereignen.
Durch sachgerechte Information zur frauenspezifischen Gewaltthematik können Ängste abgebaut und das Sicherheitsgefühl durch präventive Maßnahmen gefördert werden.
Sexuelle und körperliche Gewalt erleben Mädchen und Frauen in vielfältigen Formen und in verschiedensten Situationen. Mädchen werden bereits in der Schule von Jungen bedrängt, die ihnen unter den Rock, zwischen die Beine oder an die Brust greifen, die anzügliche Bemerkungen machen wie "blöde Fotze", "blöde Hure", "Mensch, hat die Titten"! Dies hat nichts mehr mit Spiel oder Ärgern zu tun.
Durch diese – zum Teil strafbaren – Handlungen wird nicht nur die persönliche Integrität verletzt, sie haben u. a. auch bleibende Verunsicherung und Angst zur Folge. Dies gilt umso mehr für gewaltsam erzwungene sexuelle Handlungen (Vergewaltigung, sexuelle Nötigung) die von den betroffenen Frauen darüber hinaus als Demütigung und Erniedrigung empfunden werden und in der Regel bleibende Traumata verursachen.
Andere Formen der Gewalt gegen Frauen reichen von der Körperverletzung bis zum Tötungsdelikt. Frauen werden misshandelt, geschlagen bedroht, genötigt und psychisch terrorisiert.
Täter sind nicht nur fremde Männer, sondern meistens Männer aus dem sozialen Umfeld der betroffenen Frau. Es kann der Mann sein, mit dem die Frau bei einem Lokal- oder Disco-Besuch schon öfter Kontakt hatte, der Arbeitskollege, der Bekannte aus dem Freundeskreis, der langjährige Freund, der Partner, der Ehemann, und – in Trennungssituationen – der Ex-Partner (siehe hierzu auch die Seite "Statistiken").
Die persönliche und emotionale Nähe zum Täter, Schamgefühle und der Bekanntschafts- und Verwandtschaftsgrad verhindern neben anderen sozialen Abhängigkeiten (Kinder, Wohnumfeld, Arbeitsplatz, finanzielle Situation etc.) dass die betroffenen Frauen Hilfe suchen.
Eines der größten Probleme der Frauen aber ist das mangelnde Vertrauen in die eigene Wehrhaftigkeit und das fehlende Wissen darüber, wie sie sich gegen Angriffe zur Wehr setzen können. Hier setzen Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse an:
Konsequentes Verhalten ist die Möglichkeit, dem Mann (als Angreifer, Belästiger) klar zu machen, "ich lass mir das nicht gefallen, ich wehre mich", egal, ob sich die Gewalt in verbaler, sexualisierter, physischer oder psychischer Form äußert.
Ziel des Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungs-
trainings in der Kampfkunstschule Eisheuer:
- Bestärkung der TeilnehmerInnen darin, gegen ihren Willen nichts mehr zu erdulden.
- Gedankliche Auseinandersetzung mit bedrohlichen Ausnahmesituationen, um zielgerichtetes Verhalten ohne Denkblokaden und Panikverhalten zu gewährleisten.
- Abbau des weitverbreiteten Vorurteils, dass Gegenwehr nicht nur nichts nützt, sondern in der Regel zu einer Eskalation des Gewaltverhaltens des Angreifers führt (siehe Diagramm und Erklärung weiter unten "Was tun, wenn ...").
- Abbau des Vorurteils, dass Frauen wegen ihrer kräftemäßigen Unterlegenheit nicht in der Lage seien, sich gegen Männer gegen Männer zu wehren (siehe hierzu auch unter "Allgemeine Tips" Punkt 9).
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Oft beklagen sich Frauen "ich kann doch nicht kräftig schlagen" oder "was kann ich mit meinem Gewicht gegen einen Muskel- (oder Fett-) Brocken schon ausrichten". Dies ist eine gewaltige Fehleinschätzung der eigenen Fähigkeit. Jede Frau kann hart zuschlagen. Man muss keine dicken Muskelpakete besitzen, es geht auch mit Technik (die allerdings trainiert werden muss).
Um einen harten, kraftvollen Schlag anzubringen, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Masse oder/und Geschwindigkeit. Ein Beispiel: Schwergewichtler setzen in erster Linie Muskelmasse und Gewicht ein. Komischerweise schaffen sie es aber nicht, anders als schmalbrüstige Kyokushin Karateka, feste Steine durchzuschlagen. Der Trick ist die Geschwindigkeit, der Effet, der hinter dem Schlag liegt. Der Grund dafür, dass der Spargeltarzan so hart oder sogar härter zuschlägt als ein "schwerer Junge", lässt sich mit einer einfachen physikalischen Formel begründen: Die Kraft ist grundsätzlich das Produkt aus den beiden Faktoren: "Kraft = Masse * Beschleunigung":
EKin = ½m · v2
Das bedeutet, dass fehlende (Körper-)Masse durch entsprechend schnellere Technik ausgeglichen werden kann.
Die Wirkung kann zusätzlich dadurch maximiert werden kann, dass die Trefferfläche möglichst klein gehalten wird.P = F/A = Kraft/Fläche
Eine Ohrfeige mit offener Hand ist daher per se nicht so effizient, wie ein Stoß mit geschlossener Faust, bei dem nur die Oberfläche der Knöchel im Ziel landet. Die richtige Ausführung und Anwendung der verschiedenen Techniken lernen Sie in der Kampfkunstschule Eisheuer von erfahrenen Profis. - Verdeutlichung der Tatsache, dass eine zielgerichtete Abwehr die Erfolgsquote des Wehrverhaltens deutlich erhöht, selbst wenn der Angreifer körperlich überlegen erscheint.
Frauen lernen, ihre anerzogene Hemmschwelle gegenüber der Anwendung aggressiven Verhaltens zu überwinden und zu erkennen, dass sie stark sind und auch scheinbar weit überlegene Täter durch gezielte und konsequente Aktionen außer Gefecht setzen können. Sie lernen ferner die mentale Auseinandersetzung mit gefährlichen Situationen, um diese rechtzeitig zu erkennen. Darüber hinaus, die Umgebung zu beobachten, aufkommende unangenehme Gefühle bei sich ernst zu nehmen und sich gedanklich mit konsequenten Problemlösungsstrategien zu befassen.
Widerstand lohnt!
Was tun, wenn ...
doch der "Fall der Fälle" eintritt, dass ein Mädchen, eine Frau sich mit der Situation konfrontiert sicht, sich eines zudringlichen und/oder gewalttätigen Angreifers erwehren zu müssen?
Eine Studie der Polizei Hannover zum Gegenwehrverhalten bei Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen (untersucht wurden 522 Fälle) zeigt, dass bereits bei leichter konsequenter Gegenwehr der Frauen 68,4 % der Täter die Tat abbrachen. Bei massiver Gegenwehr konnten sogar 84,3 % der Frauen den Täter zur Aufgabe seines Vorhabens bewegen.
Quelle: Bayer. Landeskriminalamt, Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse für Frauen, Informationen für Trainerinnen und Trainer
Folgende Ergebnisse kamen dabei im Einzelnen heraus:
Keine Gegenwehr leisteten 175 Frauen = (33 %). Die Täter erreichten ihr Ziel in 74 % der Fälle, bei 26 % wurde die Tat nicht vollendet, da z.B. unbeteiligte Dritte vorbeikamen.
Leichte Gegenwehr leisteten 207 Frauen (=40 %). In 36 % der Fälle wurde die Tat trotz Gegenwehr vollendet, in 132 Fällen nicht. In 37 Fällen waren andere, äußere Umstände beteiligt.
Massive Gegenwehr leisteten 140 Frauen (=27 %). In 15 % der Fälle wurde die Tat dennoch vollendet, in einem Fall eskalierte die Gewalt (Frau wehrte sich in ihrer Wohnung massiv gegen einen ihr bekannten Täter) und die Tat wurde ausgeführt. In 84 % der Fälle führte die Gegenwehr zum Abbruch der Tat, z.T. waren wieder äußere Umstände beteiligt. Dabei wurde als massive Gegenwehr schon einmaliges Treten oder Schlagen, lautes Schreien, Beißen oder an-den-Haaren-ziehen gewertet. Nur eine einzige Frau war Kampfsportlerin und setzte entsprechende Techniken (erfolgreich) ein. In zwei Fällen wurde der Täter zunächst gewalttätiger, als sich daraufhin auch die Frauen noch stärker zur Wehr setzten, wurde die Tat in beiden Fällen abgebrochen.
In 89 % der Fälle wurde die Tat durch einen Einzeltäter begangen, bei 7 % waren es zwei Täter. In 10 % der Fälle war der Angreifer bewaffnet.
Ein klares Ergebnis: Widerstand lohnt. Eine Tatsache übrigens, mit der Kriminologen schon seit längerem vertraut sind.
Trotzdem sollten gewisse Grundsätze berücksichtigt werden:
- Provokative Kampfstellungen (z. B. Boxerhaltung mit geballten Fäusten) sollen eingangs unbedingt vermieden werden.
- Anstelle von Aktivblöcken sollten passive Abwehren bevorzugt werden.
- Auf komplizierte Hebel und Würfe soll verzichtet werden. Zur Anwendung sollen in erster Linie einfache, leicht erlernbare Tritte, Stöße und Schläge kommen.
- Versprechen ("wenn du mich anrührst, zeige ich dich an") müssen auf jeden Fall eingehalten werden, auch – und gerade – wenn der Übergriff im familiären Umfeld oder im Bekanntenkreis geschieht. Andernfalls wird dem Angreifer deutlich gemacht, dass er nicht mit Strafe zu rechnen hat. Im Vertrauen darauf wird er beim nächsten Mal noch hemmungsloser vorgehen.
- Lautes Schreien verspricht nur Erfolg, wenn die Hilferufe auch gehört werden können. Gemäß einer Studie ist es zudem effektiver, durch Rufe wie "Feuer!" anstatt "Hilfe!" auf sich aufmerksam zu machen.