Kyokushinkai
Um das Kyokushinkai Karate zu verstehen, muss man die dahinter stehenden Persönlichkeiten und deren Motive - zumindest ansatzweise - verstehen. So ist dies Kampfsystem ohne dem kulturellen Hintergrund Oyamas und seiner seit frühester Kindheit bestehender Beziehung zu den Kampfkünsten in dieser Form nicht denkbar. Ebenso - und dies ist ein Punkt, der von vielen Kyokushinkai-Stilisten nicht gern zugegeben wird - wäre es ohne der Erfahrungen, die Oyama bei Gichin Funakoshi (Shotokan) und Gogen Yamaguchi (Goju) sammeln konnte, ebenfalls nicht entstanden.
Kalligrafie
"Kyokushinkai Kan"
So lässt sich - stark vereinfacht - sagen, dass das von Oyama geschaffene Kyokushinkai Karate ein Produkt seiner Kindheitserfahrungen und der in seinen Augen bestehenden Mängel der vorgenannten Systeme ist. Oyamas Drang, sich immer neue Ziele zu setzen, sich immer als der Härteste und Stärkste zu beweisen, führte somit zur Gründung des härtesten und konsequentesten Karate Stils (rechts oben ist die Kalligrafie für "Kyokushinkai Kan", links das "Kanku-Logo" abgebildet, beides sind Symbole für das Kyokushinkai Karate).
Aber nicht nur die Durchsetzungsfähigkeit der Kyokushinkai-Kämpfer zeichnet das Kyokushin Karate als das "besondere Karate" aus. Es ist vielmehr auch die Fähigkeit - trotz allem Festhalten an traditionellen Werten - veränderungsfähig und damit für Verbesserungen offen zu sein.
Sein erstes Dojo eröffnete Mas Oyama (Abbildung links) 1953, ab 1955 bezeichnete er sein Kampfsystem als Oyama Ryu. 1957 hatte er dort - trotz härtestem Training - bereits 700 Mitglieder. 1959 begann Jon Bluming, zu dieser Zeit 5. Dan Judo, unter Mas Oyama zu trainieren. Auch er beeinflußte maßgeblich das Oyama-Karate und wurde ihr stärkster Repräsentant. Mas Oyama: "Finde einen Kämpfer, der Jon Bluming im Kampf K.o. schlägt, und ich gebe ihm meinen 8. Dan." In der Folgezeit kamen viele Anhänger anderer Stilrichtungen, um sich im jis-sen kumite (kompromissloser Vollkontakt-Kampf) zu messen. Stellten sich bei solchen Gelegenheiten Techniken anderer Stilrichtungen als erfolgreich heraus, wurden sie ganz selbstverständlich in das Trainingsprogramm - und damit in die Stilrichtung - übernommen.
Diese Praxis wird auch heute noch geübt: Eine Technik, die Erfolg bringt, ist gut. Eine gute Technik wird übernommen, egal aus welchem Kampfsystem (Karate, Boxen, Judo etc.) sie kommt.
Die Mitglieder der Oyama Dojo nahmen das Kämpfen sehr ernst. Sie erwarteten, entweder zu schlagen oder geschlagen zu werden. Es gab fast keine Einschränkungen: Schläge zum Kopf oder Genitalbereich waren genauso erlaubt, wie Würfe, Hebel- und Würgetechniken. Kampf bedeutete Kampf bis zum K.o. oder Aufgabe (Aufgabe war allerdings aufgrund der Bushido Ideologie fast nicht möglich).
Kampftechnisch gesehen bevorzugt der Kyokushinkai Stilist eher weiche Abwehrbewegungen und -techniken (tai sabaki); das Hauptaugenmerk gilt der kompromisslosen Konteraktion. Die meisten Karate-Stilrichtungen lehren ihre Schüler das "Nichttreffen". Im Gegensatz dazu üben die Anhänger des Kyokushinkai Karate präzise Treffer auszuführen, bzw. von diesen nicht getroffen zu werden. Man bezeichnet daher dieses Kampfsystem auch als die realistischste Selbstverteidigung.
1964 wurde der Name "Kyokushinkai" (Übersetzung etwa "streben nach höchstmöglicher Realität") angenommen.
Aus den bescheidenen Anfängen wurde eine Massenbewegung. So zählte das Honbu Dojo um 1990 etwa 12 Millionen Mitglieder! Leider ging mit dem Ansteigen der Mitgliederzahl auch ein Abstieg der Qualität des Kyokushinkai Karate einher. Viele Wegbegleiter Oyamas trennten sich von ihm und gingen eigene Wege.